Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte
QFRG 68 - Die Priesterehe in Flugschriften der frühen Reformation
S. Buckwalter, Gütersloh 1998, € 39,95Unter den Neuerungen, die die Ausbreitung der evangelischen Bewegung in den frühen 1520er Jahren begleiteten, waren wenige so aufsehenerregend und in ihrer rechtlichen und sozialen Bedeutung so vielschichtig und folgenschwer wie die öffentliche Heirat eines Priesters - ein Schritt, der den betroffenen Kleriker als Anhänger der Reformation eindeutig identifizierte und ihn der Verfolgung durch Bischof und Fürsten aussetzte. Knapp vierzig Flugschriften der Jahre 1521 bis 1528, in denen die Verteidigung oder Ablehnung der Priesterehe das zentrale Thema ist und die sich größtenteils auf Zölibatsbrüche in Wittenberg, Erfurt, Würzburg, Augsburg, Worms, Eisenach, Straßburg, Basel und Schwäbisch Gmünd zurückführen lassen, bilden den Gegenstand dieser Studie.
Trotz der Vielfalt der Entstehungsumstände weisen die analysierten Flugschriften eine erstaunliche Einheitlichkeit in ihrer Argumentation auf, die sich an die maßgebenden Schriften Luthers (An den Adel; De votis monasticis) und Karlstadts (Apologia pastoris cembergensis) anlehnt. Eine Vorbildfunktion auch der zölibatsfeindlichen Schriften des Erasmus läßt sich im Gegensatz zu in der Forschung noch gängigen Annahmen nicht belegen. Die frühreformatorische Priesterehe läßt sich nicht einfach als die Gestalt erklären, in der sich das weitverbreitete vorreformatorische Priesterkonkubinat nachreformatorisch fortsetzte. Sie war viel eher eine provokative Neuerung, die den verheirateten Kleriker in Erklärungsnot - auch gegenüber dem einfachen Volk - brachte. Das Prädikat der "Keuschheit", das jahrhundertelang dem Zölibat vorbehalten war, wurde von der evangelischen Bewegung nunmehr für den Ehestand in Anspruch genommen.