Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte

QFRG 76 - Peter Riedemann. Täuferische Konfessionsbildung im 16. Jahrhundert

A. Chudaska, Gütersloh 2003, € 44,95

Die vorliegende Untersuchung befasst sich mit dem Leben und der Theologie Peter Riedemanns (1506-1556). Wie kaum ein anderer Täufer war Riedemann in die Umbrüche seiner Zeit involviert: Er erlebte den reformatorischen Aufbruch, den Bauernkrieg, die Anfangsjahre der täuferischen Bewegungen, aber auch die nach der Katastrophe von Münster sich abzeichnende Ausdifferenzierung und Konsolidierung der verschiedenen täuferischen Richtungen. Dabei erlitt er diese nicht nur passiv, sondern gestaltete sie als Verfasser der Großen Rechenschaft und Co-Leiter der Hutterer aktiv mit. An seiner frühen Theologie lässt sich exemplarisch verdeutlichen, wie die durch reformatorische Flugschriften verbreiteten Ansichten Luthers von den einfachen Leuten, in diesem Fall von einem Schustergesellen, verstanden wurden und wie sie sich unter dem Einfluss der frühen Täuferbewegungen, insbesondere süddeutsch-österreichischer Provenienz weiter entfalteten. Als wandernder Täuferprediger geriet Riedemann wiederholt in Gefangenschaft (Gmunden, Nürnberg, Marburg). Seine Gefangenschaften brachten ihm nicht nur den Ruf ein, er sei besonders standhaft, sie zwangen ihn auch, sich mit der obrigkeitlichen Kritik am täuferischen Glauben auseinanderzusetzen. Während seiner Gefangenschaft in Marburg und Wolkersdorf wurde er außerdem mit den Bemühungen Philipps von Hessen um eine Erneuerung der religiösen und sozialen Verhältnisse in seinem Territorium konfrontiert. Durch seine Abwesenheit war er nicht an den in Mähren ausbrechenden Streitigkeiten zwischen den Philippern, Gabrielern und Hutterern beteiligt und galt als Vermittler, der die rivalisierenden Täufergruppen unter dem Dach der Hutterer vereinigen sollte. Zwar scheiterten diese Bemühungen wegen der unterschiedlichen Glaubens- und Lebensauffassungen. Dennoch berief man Riedemann zum Co-Leiter der Hutterer. Noch während seiner hessischen Gefangenschaft begann Riedemann mit der Abfassung seiner sogenannten Großen Rechenschaft. Ihre Theologie lässt deutliche Spuren der Auseinandersetzung mit der Obrigkeit erkennen. Sie reflektiert darüber hinaus aber auch die von vielen Streitigkeiten begleitete Konsolidierung der Hutterer. Riedemanns Große Rechenschaft steht unter dem Eindruck jenes Prozesses, den Goertz mit dem Begriff Conforming Nonconformity umschrieben hat: Nach der Katastrophe von Münster liegt Riedemann alles daran, die Hutterer als friedfertige christliche Untertanen, ja, als Vorbilder christlichen Glaubens und Lebens vorzustellen. Mit seiner Schrift trägt er außerdem dazu bei, Glauben und Leben der Hutterer darzustellen und zu normieren. In den Jahren der Verfolgung trägt sie maßgeblich zum Überleben der Hutterer bei. Mit ihr beginnt der Prozess hutterischer Konfessionsbildung.